28.04.2011, 23:49
Yaerdis zitterte immer noch, die Wut kochte in ihr und fand keinen Ausweg; alle ihre Muskeln waren angespannt wie vor einem rettenden Sprung. Doch da war nichts, wohin sie sich retten konnte, nichts, wohin sie laufen konnte; nichts, das bekämpft werden konnte ausser ihrer eigenen Wut.
Sie verstand nicht, warum Himelen ausgerechnet diese arrogante Elbin ausgewählt hatte, um der Deckmantel ihrer Organisation zu sein. Eine solche Person würde mit ihrem merkwürdigen Verhalten doch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich und diejenigen, die nach außen hin in ihrem Namen handelten, lenken.
Sie hat sie alle behandelt, als seien sie Luft! Unwürdige Kinder, ihrer Weisheit nicht zugänglich! Die freundliche Araswen, die weise Elrhien, den getreuen Perjlax, verlässlich wie ein Fels; Gilcharladan mit dem klugen Gesicht und der junge Garlond mit den traurigen Augen.. und noch einige weitere, von denen Yaerdis noch gar nicht alle kannte.
Sie konnte nicht anders, als Istaelleths arrogantes, rüdes Verhalten als tiefste Beleidigung ihrer Idole aufzufassen; die Leute, die sie bewunderte und deren Taten sie nachzueifern versuchte.
Dabei waren Istaelleths Ziele offensichtlich gar nicht höherer Natur! Diese merkwürdige Elbe strebte nach Besitz, rein und allein und nur für sich selbst, und wie immer sie ihn erreichen konnte - es schien ihr ganz egal zu sein.
In diesem Punkte war sich Yaerdis unsicher. Sie hatte noch keine Elbe gesehen, die so besessen davon war, Steine oder Schriften an sich zu bringen; sie war nur zu bereit, zu glauben, daß es da noch mehr gäbe, was Istaelleth wirklich anstrebte. Aber das war nun egal. Es würde nicht funktionieren, davon war Yaerdis überzeugt.
Zum einen gab es viele Leute, die ein oder mehrere Mitglieder der Faer Eryn zumindest vom Sehen oder von ihren Handlungen her kannten. Wieviele dieser Leute würden ihnen nun abnehmen, daß es ihnen von nun an nur noch um das Sammeln irgendwelcher alter Relikte ging? Dass es Yaerdis selbst, die sich seit jeher mit kaum mehr als einer Schlafdecke und ein paar trockenen Reiserationen belastete, nun um Hab und Gut und Stein und Schrift ging?
Kaum jemand. Und ihr wollte es auch nicht darum gehen. Heuchelei war ihr seid jeher fremd gewesen, und sie hatte nicht vor, für diese verabscheuenswürdige Person nun damit anzufangen, nur, um jeden Monat ein paar vergammelte Schriften achtlos vor die Füsse geworfen zu bekommen.
Und wenn - und daran hegte Yaerdis nach Istaelleths Auftritt kaum Zweifel - sich diese alte Elbendame anderen gegenüber genauso gab wie den versammelten Faer Eryn gegenüber, dann würden die Galadhrim, ihre Waffengefährten im Düsterwald oder ihre Bekannten in Eregion von nun glauben müssen, daß die anderen und sie nun von dem Haus Istaelleth Anweisungen entgegen nehmen und sich seinen Wünschen fügen mussten.
Was das für die Dinge bedeutete, die sie ihren Bekannten und Freunden überlassen hatte - zum Beispiel die Pflege ihres schwer verletzten Pferdes Tinnu im goldenen Wald oder die Wacht in den umkämpften Grenzgebieten des Düsterwalds - konnte Yaerdis überhaupt noch nicht absehen. Vermutlich aber wären diese Leute noch weniger als ohnehin schon bereit, einer Hausangehörigen eines solch unbeliebten Hauses zu helfen; wie sollte sie auch rechtfertigen, daß das Haus Istaelleth Interesse daran hätte, einen Weg zu den abgeschnittenen Elben des Düsterwalds zu finden?
Yaerdis verstand nicht, warum Himelen nicht einfach mit Istaelleth sprechen konnte. Ein wenig mehr Anerkennung auf beiden Seiten wäre doch nichts verkehrtes? Warum konnte Himelen seiner alten Freundin nicht deutlich machen, daß es dem Deckmantel nur nützen würde, wenn Istaelleth ihre scheinbaren Reliktsammler auch so behandelte, als seien sie wirklich geschätzte Mitglieder ihres Hauses und nicht irgendwelche unwissenden, angeheuerten Bediensteten? Söldner ohne Wissen um den Sinn des Krieges, den sie mit betrieben?
Das würde doch nichts verraten? Im Gegenteil, es würde diese ganze ohnehin nur schwer fassliche Geschichte nur glaubhafter machen.
Sie musste darauf vertrauen, daß Himelen einen guten Grund dafür hatte, doch sie konnte ihn beim besten Willen nicht erkennen. Und sie konnte nicht mit ansehen, wie die Leute, die sie verehrte, sich vor dieser Dame erniedrigen mussten - und sei es auch nur zum Schein.
Nein, wenn sie diese Art der Heuchelei, diese Scharade mitspielen musste, dann würde sie lieber fort gehen. Zurück zu Saelrandir, weit in den Osten; dorthin, wohin das Haus Istaelleth ihr nicht folgen konnte. Falls Du diesen Weg überlebst, kleines Ding...
Yaerdis' Gedanken wanderten zu Saelrandir. Auf diese weite Entfernung war das Band, daß ihn und sie verband, nur sehr sehr schwach zu spüren; an vielen Tagen konnte sie seine Gedanken und Gefühle überhaupt nicht empfangen. Sie war schon beinahe einen Zehntag ganz allein. Allein.. allein. Nun, da sie diese Art der Verbindung kannte, kam es ihr beinahe so vor, als fehle ihr ein Arm oder ein Bein; etwas, das sie schrecklich vermisste. Hoffentlich kann ich ihn bald wieder einmal spüren.. oder sogar sehen... mit ihm sprechen.. ihn lachen hören.
Sie ließ einen weiteren Stein in den ruhigen Strom plumpsen, der vor dem Sippenhaus vorbeifloß.
Und war da nicht auch ein bisschen eigener Stolz, Yaerdis? fragte sie sich, während sie die reichlich geflossenen Tränen von den blassen Wangen strich, zum hundertsten Mal wohl. Dein eigenes Wohlergehen hat mit der Arroganz des Hauses Istaelleth nichts zu tun, beschloss sie. Für mich wäre es gleichgültig; ich bin so oder so nicht mehr als eine Dienerin und Botengängerin...
Aber irgendwie saß der Stachel tief in ihrem Fleisch, viel tiefer, als sie zugeben wollte. War das etwa Stolz...? Wie merkwürdig bei der verhuschten jungen Elbe!
Sie verstand nicht, warum Himelen ausgerechnet diese arrogante Elbin ausgewählt hatte, um der Deckmantel ihrer Organisation zu sein. Eine solche Person würde mit ihrem merkwürdigen Verhalten doch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich und diejenigen, die nach außen hin in ihrem Namen handelten, lenken.
Sie hat sie alle behandelt, als seien sie Luft! Unwürdige Kinder, ihrer Weisheit nicht zugänglich! Die freundliche Araswen, die weise Elrhien, den getreuen Perjlax, verlässlich wie ein Fels; Gilcharladan mit dem klugen Gesicht und der junge Garlond mit den traurigen Augen.. und noch einige weitere, von denen Yaerdis noch gar nicht alle kannte.
Sie konnte nicht anders, als Istaelleths arrogantes, rüdes Verhalten als tiefste Beleidigung ihrer Idole aufzufassen; die Leute, die sie bewunderte und deren Taten sie nachzueifern versuchte.
Dabei waren Istaelleths Ziele offensichtlich gar nicht höherer Natur! Diese merkwürdige Elbe strebte nach Besitz, rein und allein und nur für sich selbst, und wie immer sie ihn erreichen konnte - es schien ihr ganz egal zu sein.
In diesem Punkte war sich Yaerdis unsicher. Sie hatte noch keine Elbe gesehen, die so besessen davon war, Steine oder Schriften an sich zu bringen; sie war nur zu bereit, zu glauben, daß es da noch mehr gäbe, was Istaelleth wirklich anstrebte. Aber das war nun egal. Es würde nicht funktionieren, davon war Yaerdis überzeugt.
Zum einen gab es viele Leute, die ein oder mehrere Mitglieder der Faer Eryn zumindest vom Sehen oder von ihren Handlungen her kannten. Wieviele dieser Leute würden ihnen nun abnehmen, daß es ihnen von nun an nur noch um das Sammeln irgendwelcher alter Relikte ging? Dass es Yaerdis selbst, die sich seit jeher mit kaum mehr als einer Schlafdecke und ein paar trockenen Reiserationen belastete, nun um Hab und Gut und Stein und Schrift ging?
Kaum jemand. Und ihr wollte es auch nicht darum gehen. Heuchelei war ihr seid jeher fremd gewesen, und sie hatte nicht vor, für diese verabscheuenswürdige Person nun damit anzufangen, nur, um jeden Monat ein paar vergammelte Schriften achtlos vor die Füsse geworfen zu bekommen.
Und wenn - und daran hegte Yaerdis nach Istaelleths Auftritt kaum Zweifel - sich diese alte Elbendame anderen gegenüber genauso gab wie den versammelten Faer Eryn gegenüber, dann würden die Galadhrim, ihre Waffengefährten im Düsterwald oder ihre Bekannten in Eregion von nun glauben müssen, daß die anderen und sie nun von dem Haus Istaelleth Anweisungen entgegen nehmen und sich seinen Wünschen fügen mussten.
Was das für die Dinge bedeutete, die sie ihren Bekannten und Freunden überlassen hatte - zum Beispiel die Pflege ihres schwer verletzten Pferdes Tinnu im goldenen Wald oder die Wacht in den umkämpften Grenzgebieten des Düsterwalds - konnte Yaerdis überhaupt noch nicht absehen. Vermutlich aber wären diese Leute noch weniger als ohnehin schon bereit, einer Hausangehörigen eines solch unbeliebten Hauses zu helfen; wie sollte sie auch rechtfertigen, daß das Haus Istaelleth Interesse daran hätte, einen Weg zu den abgeschnittenen Elben des Düsterwalds zu finden?
Yaerdis verstand nicht, warum Himelen nicht einfach mit Istaelleth sprechen konnte. Ein wenig mehr Anerkennung auf beiden Seiten wäre doch nichts verkehrtes? Warum konnte Himelen seiner alten Freundin nicht deutlich machen, daß es dem Deckmantel nur nützen würde, wenn Istaelleth ihre scheinbaren Reliktsammler auch so behandelte, als seien sie wirklich geschätzte Mitglieder ihres Hauses und nicht irgendwelche unwissenden, angeheuerten Bediensteten? Söldner ohne Wissen um den Sinn des Krieges, den sie mit betrieben?
Das würde doch nichts verraten? Im Gegenteil, es würde diese ganze ohnehin nur schwer fassliche Geschichte nur glaubhafter machen.
Sie musste darauf vertrauen, daß Himelen einen guten Grund dafür hatte, doch sie konnte ihn beim besten Willen nicht erkennen. Und sie konnte nicht mit ansehen, wie die Leute, die sie verehrte, sich vor dieser Dame erniedrigen mussten - und sei es auch nur zum Schein.
Nein, wenn sie diese Art der Heuchelei, diese Scharade mitspielen musste, dann würde sie lieber fort gehen. Zurück zu Saelrandir, weit in den Osten; dorthin, wohin das Haus Istaelleth ihr nicht folgen konnte. Falls Du diesen Weg überlebst, kleines Ding...
Yaerdis' Gedanken wanderten zu Saelrandir. Auf diese weite Entfernung war das Band, daß ihn und sie verband, nur sehr sehr schwach zu spüren; an vielen Tagen konnte sie seine Gedanken und Gefühle überhaupt nicht empfangen. Sie war schon beinahe einen Zehntag ganz allein. Allein.. allein. Nun, da sie diese Art der Verbindung kannte, kam es ihr beinahe so vor, als fehle ihr ein Arm oder ein Bein; etwas, das sie schrecklich vermisste. Hoffentlich kann ich ihn bald wieder einmal spüren.. oder sogar sehen... mit ihm sprechen.. ihn lachen hören.
Sie ließ einen weiteren Stein in den ruhigen Strom plumpsen, der vor dem Sippenhaus vorbeifloß.
Und war da nicht auch ein bisschen eigener Stolz, Yaerdis? fragte sie sich, während sie die reichlich geflossenen Tränen von den blassen Wangen strich, zum hundertsten Mal wohl. Dein eigenes Wohlergehen hat mit der Arroganz des Hauses Istaelleth nichts zu tun, beschloss sie. Für mich wäre es gleichgültig; ich bin so oder so nicht mehr als eine Dienerin und Botengängerin...
Aber irgendwie saß der Stachel tief in ihrem Fleisch, viel tiefer, als sie zugeben wollte. War das etwa Stolz...? Wie merkwürdig bei der verhuschten jungen Elbe!